Sonntag, 27. Juli 2014

71. Beitrag - Die Visitation des Merseburger Neumarkts

Wohnte man auf dem Merseburger Neumarkt, musste das Wissen darum Schloss und Dom über sich thronen zu sehen, doch Anreiz genug sein ein moralisches Leben zu führen und allen Sünden abzuschwören. Die Nähe zum Bischofssitz sollte darüber hinaus gewährleisten, dass nicht erst eine umfangreiche Bürokratie nötig war, damit notwendige Baumaßnahmen oder andere Mittel zur Behebung von Problemen notwendig waren. Doch, war es tatsächlich so? Oder schadete die Nähe zu den hohen Herren eventuell sogar der Moral? Vielleicht.

Im Jahr 1562 war Caspar Fritzschke der Pfarrer, der die Kontrolle über sich ergehen lassen musste. Inspiziert wurden von den Visitatoren die Kirche St. Thomas sowie die beiden Hospitäler St. Barbara und St. Andrea. Mit 66 Wohnhäusern war der Stadtteil sogar recht dicht besiedelt, muss man doch pro Wohnhaus mit mehreren Menschen rechnen. Die Einnahmen von St. Barbara waren, im Vergleich zu manchen Dörfern, enorm. Zu den Geldgebern dieses Hospitals gehörten unter anderem die Erben des Götz von Wolffdorf, der Sekretär Hans Töpfer, der Fassmacher der Ölgrube sowie diverse Dörfer im Merseburger Einflussgebiet. Mit dem Geld und den anderen Abgaben wurden zudem die Armen gespeist, sieben an der Zahl waren es. Hinzu kamen sieben Feste über das Jahr verteilt, an dem man Gebratenes servierte und vor jedem der Feste gab es je einen großen Eierkuchen. Abgerundet wurde die Mahlzeit mit Käse, hausgebackenem Brot und Bier.

Das Geld aber nicht alles ist, zeigte sich bereits vor fast 500 Jahren. Das Pfarrgebäude war baufällig, immerhin konnte sein Bewohner kaum im Trockenen sitzen oder gar liegen! Er war dabei bei weitem nicht der einzige, der nass ruhen musste, denn viele Gräber waren ebenso regelmäßig überflutet. Die Kinder vor Ort waren wahrlich keine Engel, immerhin bezeichnete der Pfarrer sie als „verroht“. Als der Geistliche dieses Thema ansprach, wurde er kurz darauf von Wolf Mundlein mit einem Beil bedroht und aufs übelste als Dieb, Henker, Schelm und Bösewicht beschimpft. Dahingegen scheint eine kaputte Glocke noch das geringste Übel zu sein. Aber immerhin, nicht alles war schlecht. So verfügte man auf dem Neumarkt immerhin über ein Badehaus.

Bei der nächsten Visitation 1578 hatte der Pfarrer bereits mehrfach gewechselt. Zum Zeitpunkt dieser Besichtigung war Jodocus Rigelius Pfarrer des Neumarkts. Gleich zu Beginn erfahren wir, dass es keine eigene Schule vor Ort gab, stattdessen gingen die Kinder in die Stadtschulen Merseburgs. Bei seinen Predigten war Jodocus nicht unbedingt der Fleißigste und ein Kirchenregister wurde auch nicht angelegt. Vielleicht waren ihm diese Verwaltungsakte einfach schlichtweg egal. Die Bierwirte versorgten in ihren Schenken munter die Gäste, während der Pfarrer in seiner Kirche wohl recht einsam die Predigt hielt. Und das um die Mittagszeit! Wahrscheinlich war das Merseburger Bier einfach ein zu großer Genuss. Ansonsten gab es nur die üblichen Probleme, also undichte Dächer und baufällige Gebäude.

Ein anderes Ärgernis war es aber, dass den Pfarrer und die Visitatoren auf Trab hielt. Eine Zauberin, die die gelbe Elsa genannt wurde, trieb auf dem Neumarkt ihr Unwesen. Wobei Unwesen vielleicht das falsche Wort ist, denn über ihre Taten ist nichts weiter bekannt. Zwar wurde sie einige Zeit vor der Visitation 1578 vertrieben, kehrte aber währenddessen zurück und verhielt sich ruhig und unauffällig.

weitere Visitaionen:






Quelle:

Friedensburg, Walter: Die Protokolle der Kirchenvisitationen im Stift Merseburg von 1562 und 1578.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen