Sonntag, 16. März 2014

51. Beitrag - Die Visitation von Friedensdorf

Folgt man der B 181 von Merseburg nach Leipzig, liegt kurz nach Verlassen der Domstadt und etwas abseits der Bundesstraße ein kleines Dorf. So unmittelbar an der Hauptkirche des ehemaligen Bistums gelegen, gehörte es noch im 16. Jahrhundert zum Küchenamt von Merseburg. Gemeint ist damit, dass dieses kleine Dorf, ebenso wie viele andere, für die Versorgung des Domes und des Schlosses verantwortlich war. Seit der Ersterwähnung im 12. Jahrhundert kannte man es unter dem Namen Kriegstedt. Nach dem Zweiten Weltkrieg benannte man den Ort jedoch in den heute bekannten Namen „Friedensdorf“ um.

Der Pfarrer des Jahres 1562 hieß Blasius Weiser Weidensis. Interessant ist, dass der Pfarrer gleich zwei Orte gleichen Namens betreut hatte, Ober- und Niederkriegstedt. Beide zusammengehörenden Dörfer bestanden aus insgesamt 24 Wohnhäusern. Schadendorf mit 13 Häusern, aber ohne das Rittergut, 3 Häuser in Kleingräfendorf und 17 Häuser in Kleinlauchstädt zählten ebenfalls dazu. Der Besitz der Pfarre war nicht sonderlich groß und teilte sich zwischen den Grundstücken in Kriegstedt und Schadendorf auf. Für seine Predigten nutzte er wahrscheinlich nur 3 von 4 Kirchen. Die in Niederkriegstedt war wüst geworden, also unbenutzt und von schlechten baulichen Zustand, Kleingräfendorf besaß keine.

Im Jahr 1578, also zur nächsten Visitation, gab es einen neuen Pfarrer mit Namen Moyses Cario. Während 16 Jahre zuvor mehr Aufmerksamkeit auf die wirtschaftlichen Aspekte gelegt wurde, stehen nun wieder die „Gebrechen“ im Vordergrund. Doch konnten diese kleinen Dörfer tatsächlich solche großen Makel haben? Fangen wir zunächst mit dem Positiven an: Der Küster betreute eine kleine Schulklasse von 15 Jungen, für die Mädchen existierte dahingegen kein Angebot, was allerdings auch nicht unüblich war.

Eines der größten Probleme, welches die Visitatoren oft erwähnt hatten, war die sogenannte „schwelgerei“. Dabei handelte es sich wahrscheinlich einfach nur um ein zusammenfassendes Wort vieler Verfehlungen. Zügellosigkeit, Besäufnisse, Völlerei... Was genau gemeint war, können wir im Einzelnen leider nicht mehr nachverfolgen. Hinzu kam der „unfleis“, also der fehlende Wille der Dorfbewohner in die Kirche zu gehen. Ein weitaus größeres Problem stellte dagegen der Edelmann Nickel Sack dar, zumindest wenn man den Ausführungen des Pfarrers vollen Glauben schenken darf. Dieser kaufte den Bauern ihre Grundstücke ab, ließ die erworbenen Güter aber nicht wieder besetzen. Sie wurden wüst und brachten der Pfarre somit kein Einkommen.

Die Kirche zu Niederkriegstedt bekam dagegen eine neue Funktion. Ein gewisser Christoff Hanfstengel hat sich diese (widerrechtlich?) angeeignet und in ein Lagerhaus umgewandelt. Selbst das Örtchen Schadendorf wurde seinem Namen gerecht, denn die dortigen Bauern verwüsteten mit voller Absicht das Getreide des Pfarrers. Die näheren Umstände kennen wir nicht, also ob es im Vorfeld bereits Konflikte gab und sich diese hochschaukelten. Vielleicht taten sie es auch unabsichtlich, z.B. im Suff. Heute würden wir von verminderter Schuldfähigkeit in solch einem Fall reden. Und was war mit Kleingräfendorf, dem kleinsten der eingepfarrten Orte? In diesem Dorf gehörten Weidenbäume zum Besitz der Pfarre, welche jedoch 3 der dortigen Bauern für eigenen Zwecke einfach nutzten. Gehen wir davon aus, dass es hier noch immer nicht mehr als 3 Bauernhäuser gab, so lehnte sich quasi ein ganzes Dorf gegen den Pfarrer auf.

Man hatte es als Pfarrer nicht immer einfach, zumal auch die Schuldner anscheinend nur selten daran dachten, ihre Schulden zu begleichen. Selbst die Adligen vor Ort waren selten daran interessiert die Pfarrer zu unterstützen. Vielleicht galt aber einfach nur damals der gleiche Grundsatz, wie er heute noch gilt: Mit den Menschen, mit denen man auf einer Wellenlänge liegt, hilft man lieber.

Quelle:

Friedensburg: Die Protokolle der Kirchenvisitationen im Stift Merseburg von 1562 und 1578.

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