Sonntag, 21. September 2014

79. Beitrag - Die Visitation von Leuna

Leuna ist als Standort für seine chemische Industrie weit bekannt. Die heutige Stadt begann einst als ein kleines Dorf unter vielen und dessen Bedeutung konnte man bis zur Eröffnung der dortigen Industrie getrost vergessen. Da es aber zum Merseburger Bistum gehörig war, gab es andere Interessensgruppen. Leuna unterstand direkt dem Küchenamt Merseburg, also den Domverwaltern daselbst. Für die Seelsorge 1562 war der Pfarrer Wolffgang Scharschmitt zuständig. Als Dorf war Leuna nicht sonderlich groß,  gerade einmal 23 Höfe bzw. Häuser gab es. Ihm unterstellt waren noch die beiden Dörfer Göhlitzsch und Rössen, wobei letzteres ein Sitz der Familie (von) Bose war.

Besonders reich ausgestattet war der Pfarrer nicht, doch reichte es wohl, um einigermaßen gut über die Runden zu kommen. Immerhin existierten für ihn in Leuna ein Haus mit angeschlossenem Hof und Garten. Zusätzlich besaß er noch etwas Ackerland und eine Wiese. Ähnliches gab es noch in den beiden dazugehörigen Orten. Einzig bemängelt wurde der fehlende Küster,  doch war Pfarrer Scharschmitt bereit, den Pfarrbesitz in Rössen für diesen zur Verfügung zu stellen. So zumindest der offizielle Bericht der Visitatoren. Laut dem Pfarrer selbst sahen die Verhältnisse etwas anders aus. In Leuna gab es lediglich 16 Bauernhöfe und ein weiteres Dorf unterstand seiner Seelsorge: Ockendorf. Es war die kleinste der vier Ortschaften, wobei nur 7 der 8 Bauernstellen besetzt waren. Seiner Angabe nach war Rössen zudem um einiges größer als Leuna. Beschönigen einer Bruchbude ist nicht nur unseriösen Maklern unserer Zeit zu eigen. Bereits die Visitatoren blickten wohlwollend über Mängel hinweg. Während für sie die Küsterwohnung klar ging, beschrieb der Pfarrer diese als alt und zerfallen. Deshalb wies er die Bauern an das Haus instand zu setzen. Nichts geschah. Dann wollte es der Lehnherr Moritz Bose reparieren. Nichts geschah. Schlussendlich beherbergte der Pfarrer den Küster bei sich daheim.

Als 1578 die nächste Visitation anstand, erleben wir so etwas wie eine kleine Sensation. Immer noch ist Wolffgang Scharschmitt der Pfarrer und er blieb es auch weiterhin. Er verstarb sogar erst 1610 im stolzen Alter von 87 Jahren! Er stand vor ähnlichen Problemen wie seine Kollegen. Auch er sollte täglich predigen, die Zuhörer jedoch blieben fern. Sogar am Sonntag blieb die Kirche meist leer, denn die Dorfbevölkerung zog es in die Stadt. Leuna war eher ruhig und beschaulich, des Nachts aber durfte man nicht unterwegs sein. Auch empfahl es sich, sein Haus jede Nacht in eine Festung zu verwandeln. Diebe, Einbrecher und anderes Gesindel zogen umher. Fast jede Woche kam es zu einem Zwischenfall. Kaum eine Familie konnte des Nachts noch friedlich ruhen. Kam es zu einen der seltenen Fälle, in denen man den Einbrecher fasste, übergab man diesen der Amtsgewalt. Der zuständige Beamte aber, entließ den Verbrecher meist sofort wieder auf freien Fuß und diejenigen, die für die Verhaftung verantwortlich waren, mussten umso mehr um sich und ihre Familien fürchten. Über derart krasse Fälle vom Versagen der Justiz und der verantwortlichen Behörden hören wir für diese Zeit nur äußerst selten von einem der Dörfer des Bistums. Kann es also sein, dass vielleicht jemand ein offenes Ohr und noch ein weiter geöffnetes Geldsäckel hatte?

Quelle:

Friedensburg: Die Protokolle der Kirchenvisitationen im Stift Merseburg von 1562 und 1578.

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