Sonntag, 13. Juli 2014

69. Beitrag - Woher stamme ich? - Wortherkunft der Geschichte

Was ist Geschichte?

Bei diesem Thema scheiden sich die Geister. Zunächst einmal ist es das Vergangene, dass hinter uns Liegende und das Erlebte. Somit wird die Gegenwart unmittelbar mit jeder verstreichenden Sekunde zur Vergangenheit - aber auch zur Geschichte? Es kommt darauf an, wie jeder für sich selbst das Wort Geschichte definiert. Nicht alle Ereignisse sind in den Augen der Historiker geschichtsträchtig bzw. wichtig für den Verlauf ‚großer Ereignisse‘. Dabei wird allerdings gern übersehen, dass jede noch so kleine Tat den Lauf unserer Weltgeschichte verändern könnte. Um dies zu beweisen müsste man jedoch sämtliche Umstände, Neigungen, Erlebnisse, Gedanken, also das gesamte Leben sämtlicher Menschen dieser Welt kennen. Und das ist für Historiker einfach unmöglich.

Geschichte ist zudem eine Wissenschaft, welche die Entwicklung der Gesellschaft untersucht und Vergangenes greifbar machen soll. Geschichte ist aber viel mehr, denn jede Erzählung, jedes Gedicht und jedes Gerücht ist eine Geschichte. Im Althochdeutschen heißt es ‚giskiht‘, was sehr an unser ‚geschieht‘ erinnert. Im Mittelhochdeutschen wird es dann schon klarer, denn da hieß es nun bereits ‚geschiht‘. Es war ein Geschehen, Ereignis sowie Zufall und Umstand. Folgt man dem ursprünglichen Wortlaut, müsste es eigentlich ‚was sich ereignet‘ bedeuten. Gemeint wäre somit die Gegenwart, nicht die Vergangenheit. Zugleich bildete sich noch ein weiteres Wort, nämlich ‚geschicht‘. Es beschrieb eine mündliche oder schriftliche Erzählung von tatsächlichen Ereignissen oder ausgedachten Taten, deren Denkwürdigkeit weitergetragen werden sollte und musste. Diese Geschehnisse reihten sich idealerweise aneinander, so dass Geschichte nun fast gleichzusetzen mit Schicksal war. Man folgte einem gewissen chronologischen Ablauf. Die Geschichtswissenschaft, wie wir sie heute kennen, begann sich ungefähr seit dem 18. Jahrhundert zu entwickeln.

Geschichte ist ein natürlicher Bestandteil unseres Wesens und unserer Identität. Jeder Mensch definiert sich über seine Erlebnisse, sein Umfeld und die Geschehnisse, die ihm Nahe gehen. Jeder Mythos hat seinen Ursprung und jeder Mensch kann einen Mythos begründen oder nähren. Jede Religion beginnt mit einer Geschichte, die über ihre eigene Legitimation aufklärt und jeder Mensch muss entscheiden, welches Argument ihn am meisten überzeugt. Bereits Einstein war sich sicher, dass Fantasie nicht begrenzt ist und noch heute hat er damit recht. Viele Menschen besitzen die Gabe Welten zu erschaffen und diese mit lebendigen Wesen zu füllen. Somit werden all die Geschöpfe wie Elben, Elfen und Feen, Zwerge, Kobolde und Hobbits, aber auch Drachen, Orks und andere Scheusale ein Teil unserer Welt. Die meisten dieser Wesen entsprangen der Mythologie, doch macht es sie weniger real?

Wir Menschen haben unser Leben durch Götter versucht zu legitimieren. Die Religionen wechselten sich ab, bestimmte Motive blieben aber erhalten, wie der Bruderzwist. Kain und Abel oder in der moderneren Popkultur Dean und Sam aus der Fernsehserie Supernatural, sollen an dieser Stelle stellvertretend dafür stehen. Viele Menschen finden Religion und Glauben lächerlich, doch gab es weitaus verrücktere Sachen, die der Mensch sich erdachte. Nationen beispielweise sind weder natürlich, noch durch Vorhersehung entstanden, sondern vielmehr durch harte Überzeugungsarbeit. Was hatten denn Menschen aus Schwaben mit den Menschen an der Nord- und Ostseeküste gemeinsam?  Oder Preußen und Bayern? Natürlich das es „DEUTSCHE“ waren! Okay, bei näherer Betrachtung zerbröselt selbst diese Ansicht innerhalb von Sekunden, denn bereits Bismarck sagte einst:

„Wir wollen das preußische Königtum nicht verschwimmen sehen in der fauligen Gärung süddeutscher Gemütlichkeit.“

Autsch! Soviel zur urdeutschen Solidarität. Wir haben es also geschafft durch erfundene Geschichten unsere Geschichte zu entwerfen und zu konstruieren. Und nun? Ist der Nationalismus, außer dass dieser erst erfunden werden musste, ein Grundübel, das uns seit dem 19. Jahrhundert verfolgt? Ja. Nein. Vielleicht. Es kommt immer darauf an, worauf wir uns beziehen. Fangen Sie einfach einmal bei sich an und versuchen Sie sich, selbst zu definieren. Anschließend sollte ein Vergleich zu verschiedenen anderen Personen gezogen werden, doch am Schluss wird eine Erkenntnis stehen: Sie sind ein Mensch, genauso wie ihr Nachbar. Und deren Nachbar. Und dessen Nachbar. Und immer so weiter, bis Sie einmal um den Planeten herum sind und vielleicht viele neue Geschichten erlebt haben.

Quelle:

Etymologisches Wörterbuch des Deutschen

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