Sonntag, 18. Mai 2014

61. Beitrag - Das Vereinsgesetz von 1908, Ostmarkenverein und Straz

Am 15. Mai 1908 trat ein Gesetz im Deutschen Kaiserreich in Kraft, welches noch für erhebliche Konflikte sorgen sollte. Im Zuge dessen vertieften sich die Spannungen zwischen den Deutschen und der polnischen Minderheit noch weiter und eine Annäherungspolitik rückte in weite Ferne. Das Vereinsgesetz erscheint nur wie ein Gesetz unter vielen, jedoch bot §12 Platz für Proteste.

Die Verhandlungen in öffentlichen Versammlungen sind in deutscher Sprache zu führen. [...]“

Zwar sah das Gesetz vor, dass man auch eine andere Sprache für Versammlungen nehmen konnte, jedoch musste es mindestens 72 Stunden vorher bei der örtlichen Polizeibehörde angemeldet werden. Diese war wiederum dazu verpflichtet sich die Sprache zu notieren und eine kostenfreie Genehmigung zu erteilen. Für uns mag es sich banal anhören, doch das Konfliktpotenzial war enorm, gerade für die vielen Minderheiten im Deutschen Kaiserreich.

Zu der größten Gruppe gehörten dabei die Polen. Bereits seit der Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 gehörten sie zur Bevölkerung. Vorher war die polnischsprachige Bevölkerung ein Teil Preußens. Für die Polen war es schwierig sich zu integrieren. Seit dem ausgehenden Mittelalter bildete das Königreich Polen mit dem Großherzogtum Litauen den eigenständigen Staat Polen-Litauen. 1697 ist Schluss damit, als Kurfürst Friedrich August der Starke von Sachsen den Königsthron in Polen besteigt. Während des Großen Nordischen Krieges wurde
(Sachsen-)Polen-Litauen stark geschwächt. Zerstörungen durch den Krieg und innere Unruhen verunsicherten die Bevölkerung, so dass es zu religiösen Auseinandersetzungen kam. Vorgebend als Schutzmacht der Protestanten aufzutreten, bilden Preußen, Russland und Österreich ein Bündnis. Diese drei Mächte wollten nur noch denjenigen Kandidaten auf dem polnischen Königsthron sehen, der ihnen genehm war. Letztlich endete es in mehreren Aufteilungen von
Polen-Litauen bei denen die „Schutzmächte“ sich das Land einverleibten.

Nach dem Wiener Kongress von 1815 versuchte die Preußische Regierung die polnischsprachige Bevölkerung zu integrieren, wobei ihre Vorgehensweise über weite Strecken als stümperhaft beschrieben werden muss. Zunächst verbesserte die preußische Regierung die wirtschaftlichen und infrastrukturellen Verhältnisse ihrer neugewonnenen Provinzen. Es war ein ständiges auf und ab in der Politik, schließlich jedoch spitzte sich die Situation immer mehr zu. Die Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 ließ viele Polen Hoffnung schöpfen, selbst einen polnischen Nationalstaat gründen zu dürfen. Noch vor der Reichsgründung forderten einige deutsche Vereine, dass statt Integration eine Assimilation stattfinden müsse. Hier schritt die preußische Regierung ein und dämpfte diese Forderungen ab. Spätestens 1894 jedoch gewannen die deutschen nationalistischen Kräfte in den östlichen Provinzen an neuer Stärke, denn in diesem Jahr gründete sich der Deutsche Ostmarkenverein. Dieser sah sich als legitimer Vertreter der Regierung und trat als Schutzmacht des sogenannten Deutschtums in den Provinzen auf. Gleichzeitig versuchte der Verein massiven Einfluss auf die Politik und die Gesetze in Berlin zu nehmen.

Die Politik des Ostmarkenvereins und die Gesetzgebung des Deutschen Kaiserreichs brachten die polnischsprachige Bevölkerung in große Bedrängnis. Als das Vereinsgesetz 1908 in Kraft trat, brachte es das Fass endgültig zum Überlaufen. Als Gegenreaktion wurde die Straź gegründet, ein Verein, welcher sich als Verteidiger des Polentums sah. Von nun an war eine Freundschaft zwischen den Kulturen unmöglich geworden. Die polnische Nationalbewegung beendete schlussendlich nur, was die deutsche Nationalbewegung begonnen hatte.

Vereine hätten eine Brücke zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen bilden können. Dabei ging es nur offiziell um eine nationale Gesinnung, schließlich brauchte man ja einen Grund für den Zwiespalt. Die Geltungssucht der jeweiligen Anführer zeigt jedoch, wie sehr sie sich auf Kosten der anderen Menschen profilieren wollten.

Quelle:

Grabowski, Sabine: Der Deutsche Ostmarkenverein und die polnische Straź im Alltag des Nationalitätenkampfes.

Heyde, Jürgen: Geschichte Polens.

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