Samstag, 19. Oktober 2013

30. Beitrag - "Adieu, braves Saxons!"

„Friedlich liegt die ansehnliche Handelsstadt in der Ebene. Die engen Straßen der mittelalterlichen Stadt sind umgeben von einem Kranz blühender Anlagen, dahinter die Kiesflächen, welche dem großen Meßplatz unvermeidlich sind, und darüber hinaus die breiten Straßen und stattlichen Häuser des modernen Anbaues, welche sich fast nach allen Richtungen weit in die Ebene strecken.“

Dieser Tage kommt man kaum umhin nicht von den Veranstaltung zur Erinnerung an die Völkerschlacht bei Leipzig zu hören. 200 Jahre ist es nun her, dass Napoleons Armee und die seiner Verbündeten bei der sächsischen Metropole geschlagen wurden. 100 Jahre ist es her, dass das Völkerschlachtdenkmal eingeweiht wurde. Über 100.000 Soldaten wurden an diesen Tagen verwundet oder getötet. Für viele Zeitgenossen musste es traumatisch sein, in solch einen Kampf zu geraten. Wir wissen es selbst, welche Wunden solch ein Krieg hinterlassen kann. Zeitzeugen des Gräuels des Zweiten Weltkrieges können uns noch immer von den Schrecken berichten.

Im Jahr 1867 erschien in Leipzig das Buch „Leipzig seit 100 Jahren“. Der Autor
Dr. Emil Kneschke berichtet darin in einen Abstand von gut einem halben Jahrhundert von dem, was sich 1813 in Leipzig zutrug.

„[...] aber seit dem Abend des 4. Mai [...] hatte Leipzig unausgesetzt französische Besatzung bis zu dem Mittag des schreckenvollen 19. Octobers.“ Die Franzosen benahmen sich zumindest in der Stadt rücksichtvoll, auch wenn er anderes von dem Umland berichtet. So sollen sie geplündert haben und es war ihnen auch egal, wenn dabei etwas zerstört wurde. Das 4. Armee Korps, welches durch Leipzig die Elbe hinauf zog, bestand aus ca. 30.000 Soldaten, weniger ältere Veteranen, sondern vielmehr „Jünglinge mit dem ersten Flaum um das Kinn“ zogen aus. Bald füllte sich das Land um Leipzig herum mit Lazaretten, viele Verwundete von dem nahen Lützen wurden hierher gebracht. Die Ärzte der Stadt zogen aus, bepackt mit medizinischen Vorräten und Lebensmitteln, um den Kriegsversehrten zu helfen. Es war ein Tropfen auf dem heißen Stein, denn Krankheiten und Seuchen breiteten sich aus.

„In der Stadt herrschte schreckliches Gewühl“, vor den Tagen der Schlacht. So viele Menschen gleichzeitig, sah Leipzig noch nie zuvor. Versorgungswagen, Truppen und Artillerie verstopften die Straßen. Stellen Sie sich einfach vor, Sie wären auf der Leipziger Buchmesse. Sicherlich kennen Sie das Gedränge.

„Da es an Brennmaterial mangelte, so wurde, was sich nur irgend verbrennen ließ, zur Unterhaltung der Wachtfeuer herbeigeschleppt und dabei kein Eigentum geschont.“ Es war kalt und regnerisch, müde und erschöpfte Truppenverbände taugten nicht zum Kampf.

Als die Schlacht dann die Tage volle Fahrt aufnahm, erkannten die Menschen den wahren Ausmaß des Schreckens: „Schaarenweise strömten die verstümmelten Menschen nach der Stadt, am Thore nach einem Hospitalbillet wimmernd, daß ihnen auch ohne weitere Scrupel gereicht ward, obgleich alle Spitäler längst überfüllt waren.“  Tag für Tag rückten die Kämpfe näher an die Stadt heran. Innerhalb der Stadt versammelten Napoleon und der sächsische König bereits die Truppen. Mehrmals wurde versucht Leipzig zu stürmen. Den Franzosen, allen voran Napoleon gelang die Flucht durch das Ranstädter Tor. Doch der Franzosenkaiser soll bis kurz vor seinem Aufbruch dem sächsischen König den Respekt erwiesen haben. Laut Kneschke waren seine letzten Worte gegenüber Friedrich August:

„Ich wollte Sie nicht eher verlassen, als bis der Feind in die Stadt wäre, denn ich war Ihnen schuldig, meine Ergebenheit zu beweisen. Ich sehe Besorgnisse um meine Person und will nicht länger bleiben. Ich sage Ihnen hiermit Lebewohl. Was immer geschehe, Frankreich wird die Schuld der Freundschaft zahlen, welche es mir gegen Sie zur Pflicht macht.“

Er bestieg sein Pferd und ein letzter Gruß gen Leipzig gerichtet lautete:

„Adieu, braves Saxons!“

Und die Begleichung seiner Schuld? Naja, immerhin kam er nicht wieder. Zumindest er selbst, denn dieser Tage prangte das Porträt des „kleinen“ Generals übermenschlich groß auf den Werbeplakaten der Stadt.
Das Bild soll Napoleons Flucht aus Leipzig zeigen.
Das zu Beginn entnommene Zitat leitet das Buch von Dr. Emil Kneschke ein. Es entstammte einem Artikel des Leipziger Tageblattes. Man sollte meinen, dass dieser Frieden teuer erkauft worden war und das man damit doch durchaus zufrieden hätte sein können. Der Krieg allerdings sollte wieder nach Leipzig zurückkehren. Hoffentlich zum letzten Mal für ganz Europa.

Quelle:

Emil Kneschke: Leipzig seit 100 Jahren.

Das Bild entstammt dem Internetauftritt des Zentralen Verzeichnis Antiquarischer Bücher.

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